Komplementäre Medizin Misteltherapie: Wann und wem kann sie helfen?

Autor: Heiko Schwöbel

Schon Jahrtausende als Heilpflanze benutzt: die Mistel. © iStock/de-kay

Die Mistel ist ein Sandelholzgewächs. Im Volksmund wird sie auch ­Druidenfuß, Donner- oder Hexenbesen genannt. Schon vor über 3000 Jahren verwendeten die Kelten die Essenzen aus Misteln um Krankheiten und Beschwerden zu lindern. In der modernen Krebsmedizin ergänzen Mistelpräparate die klassische Krebsbehandlung und helfen Nebenwirkungen zu lindern.

Kann eine Misteltherapie die schulmedizinische Behandlung ersetzen?

Prof. Dr. Joachim Drevs: Nein. Krebs ist immer eine sehr ernste Erkrankung, die mit allen gebotenen Mitteln der Schulmedizin bekämpft werden muss. In diesem Kampf kann die Misteltherapie eine wichtige Rolle spielen. Sie unterstützt und ergänzt die Schulmedizin sehr wirksam. Dies gilt für die Behandlung selbst, aber auch für die Linderung von Nebenwirkungen, die die Lebensqualität der Patienten beeinträchtigen. Wir Ärzte sprechen in diesen Fällen von den sogenannten komplementären Behandlungsmethoden. Daher gilt, dass eine Misteltherapie niemals eine klassische Behandlung von Krebs ersetzen, aber sehr wohl gut unterstützen kann.

Was bewirkt die Misteltherapie?

Prof. Dr. Joachim Drevs: Die Mistel ist inzwischen ein bewährtes komplementäres Präparat im Kampf gegen den Krebs. Dafür gibt es gute Gründe. Studien weisen darauf hin, dass Patienten von Misteltherapien profitieren und die Folgen der Behandlung besser bewältigen können. Diese Studien werden durch unsere Erfahrungen in der täglichen Arbeit mit den Patienten zusätzlich gestützt. Unsere Patienten beschreiben, dass sie Strahlen- und Chemotherapien besser vertragen und Nebenwirkungen milder werden. Dadurch fühlen sie sich sehr häufig entlastet und können so ihre Lebensqualität besser erhalten oder steigern.

Allerdings gilt auch, dass wir noch nicht genau wissen, wie die Mistheltherapie genau in unserem Körper oder auch dem Krebs wirkt. Ob und wie sich die Misteltherapien günstig auf die Lebenszeit von Krebspatienten auswirkt, konnte bislang nicht sicher geklärt werden.

Wie wird die Misteltherapie verabreicht?

Prof. Dr. Joachim Drevs: Der Mistelextrakt wird, je nach Präparat, unter die Haut am Bauch, Oberschenkel oder den Oberarm gespritzt. Unter Umständen wird der Wirkstoff auch direkt in die Vene oder den Tumor injiziert. Wie lange, wie oft und in welcher Dosierung die Therapie erfolgt, hängt von der individuellen Situation des Patienten und den jeweiligen Medikamenten ab.

Werden die Kosten für eine Misteltherapie von den Kassen erstattet?

Prof. Dr. Joachim Drevs: Das kommt darauf an. Bei Patienten mit besonders schweren Erkrankungen werden die Kosten in aller Regel erstattet. Für alle anderen gilt, dass die Kassen im Einzelfall entscheiden, ob die Behandlung erstattet wird. Für die Patienten und Behandler bedeutet dies, dass sie gute Gründe und die Aussicht auf einen medizinischen Nutzen nachweisen müssen, um eine Erstattung zu bewirken. Dies gilt für die komplementären wie schulmedizinischen Verfahren gleichermaßen – nur der Verwaltungsweg ist ein anderer.

Wann darf eine Misteltherapie nicht angewendet werden?

Prof. Dr. Joachim Drevs: Unabhängig von den Empfehlungen der Hersteller setzen wir die Misteltherapie nicht bei Leukämie, Lymphomen, Melanomen und Nierenzellkarzinomen ein. Auch bei Fieber, Infektionen und Schwangerschaften raten wir dringend von einer Behandlung mit Mistelpräparaten ab.

Darüber hinaus rate ich allen Patienten, die Misteltherapien oder andere komplementäre Behandlungen in Anspruch nehmen wollen, diese unbedingt mit dem behandelnden Onkologen zu besprechen und das Für und Wider gemeinsam abzuwägen. Alleingänge müssen unter allen Umständen vermieden werden, um den Erfolg der schulmedizinischen Behandlung nicht zu beeinträchtigen und unerwünschte Nebenwirkungen zu vermeiden.


Prof. Dr. Joachim Drevs, Facharzt für Innere Medizin, Zusatzbezeichnung ­Hämatologie und Onkologie, Unifontis, Praxis für ­Integrative Onkologie in Sickte, bei Braunschweig © Privat