Neuen Mut schöpfen Leben mit Krebs: Zurück ins Leben

Autor: MPL-Redaktion

Hier geht es rund. Bei den Waldpiraten dürfen sich erkrankte Kinder wieder als Entdecker fühlen. (Agenturfoto) © iStock/Imgorthand

Waldpiratencamp heißt zehn Tage Vollgas. Von 8 Uhr am Morgen bis 22 Uhr am Abend, immer Programm bei jedem Wetter. Im Camp können Kinder und Jugendliche viel nachholen, was sie während der Behandlung und Nachsorge verpasst haben.

In Deutschland erkranken jedes Jahr etwa 2.000 Kinder und Jugendliche an Krebs. Die Chancen, nach der Behandlung der Krankheit wieder ein normales Leben zu führen, sind in den letzten drei Jahrzehnten sehr stark gestiegen. Trotzdem fordert Krebs von Patienten und Angehörigen immer noch viel Kraft und Energie.

„Viele, ganz normale Erfahrungen können die Kinder nicht machen, weil sie die Krankheit und die Behandlung aus der Normalität des Alltags, der Schule, der Familie und der Freizeit herausreißt“, sagt Chris Maier, stellvertretende Pädagogische Leiterin des Waldpiratencamp der Deutschen Kinderkrebsstiftung in Heidelberg. „Wir wollen mit unserem Waldpiraten-Camp dabei helfen, dass die Kinder diese Erfahrungen ein Stück weit nachholen können.“

Waldpiraten machen stark

Nach einer Krebsbehandlung bleiben oft seelische und körperliche Narben zurück. Die können sich negativ auf das Selbstvertrauen und Selbstwertgefühl der Kinder und Jugendlichen auswirken. „Mit unseren Aktivitäten im Waldpiratencamp wollen wir dazu beitragen, dass die Kinder und Jugendlichen sich selbst mehr vertrauen können und wieder besser ins Leben zurückfinden“, sagt Chris Maier. „Dabei haben wir immer Körper und Seele im Blick.“

Im Hochseilgarten lernen die Teilnehmer zum Beispiel rasch, dass sie Grenzen, die sie im Kopf gezogen haben, mit Verstand und Geschick überwinden können. Das gibt Selbstvertrauen und macht Mut, Neues zu entdecken.

Ein weiteres Beispiel: „Gruppenzusammenhalt und Rücksichtnahme ist beim Kanufahren eine Bedingung, um ans Ziel zu kommen“, sagt Chris Maier. „Dies wird vielen Teilnehmern erst dann richtig bewusst, wenn sie das erste Mal mit sechs oder acht Kameraden zusammen in einem Boot sitzen.“ Hier wird rasch deutlich, dass jeder auf die Stärken und Schwächen aller Rücksicht nehmen muss, um ein Ziel gemeinsam zu erreichen...

Ruhiger geht es in Bastel- und Werk- oder Gesprächsgruppen zu. „Hier steht die Kreativität und der Austausch mit anderen im Vordergrund“, betont Chris Maier. „Entspannungsübungen, Musik- und Theaterspiele runden das Angebot für die Teilnehmer ab.“ Die medizinische Versorgung der Kinder und Jugendlichen wird von Krankenpflegern durchgeführt. Im Fall der Fälle steht ein Facharzt für Allgemeinmedizin oder die onkologische Abteilung der Kinder- und Jugendmedizin der Universität Heidelberg bereit.

Klare Regeln sorgen für gute Atmosphäre

Die Regeln im Waldpiratencamp sind einfach und klar:

  • Jeder macht so viel er will und kann.
  • Jeder nimmt Rücksicht auf seine Kameraden und übernimmt auch Verantwortung für die Gruppe.
  • Selbstverständlich sind Tabak und Alkohol ebenso tabu wie Messer und Feuer.

„Dass unser Programm die Kinder und Jugendlichen fordert und fördert, können wir ganz leicht daran ablesen, dass Fernsehen, Computer und Handy keine Rolle spielen“, sagt Chris Maier und lacht. „Die Aktivitäten und die Gruppenarbeiten füllen den Tag von 8 Uhr bis 22 Uhr aus. Handyzockerei wäre reine Zeitverschwendung.“ Das Camp berechnet lediglich eine Anmeldegebühr von 65 Euro. Alle anderen Kosten werden über die Deutsche Kinderkrebsstiftung finanziert.

Ein geschützter Raum zur Entwicklung

Besonders am Waldpiratencamp ist der geschützte Raum. „Es braucht keine Rechtfertigung oder Erklärung für ein Handicap“, sagt Chris Maier. „Jeder gibt das, was er kann oder will und alle akzeptieren das. Das schafft den Raum, den die Kinder und Jugendlichen brauchen, um ihre Grenzen zu erweitern und Selbstvertrauen zu schaffen.“ Dafür ist die Gruppe besonders wichtig, denn viele Probleme können nur mit oder in der Gruppe gelöst werden.

Der Erfolg gibt dem Waldpiratencamp recht. Inzwischen werden pro Jahr zehn Camps mit jeweils 46 Teilnehmern ab 9 Jahren durchgeführt. Viele davon kommen mehrfach wieder. Einige ehemalige Teilnehmer sind heute als Betreuer tätig.

Sofia, 13, Teilnehmerin

„Das beste sind natürlich die vielen Ausflüge und Aktivitäten, die man gemeinsam unternimmt, wie zum Beispiel Tauchen, Klettern, Kanufahren usw., die allen unheimlich Spaß machen, weil jeder mitmachen kann, ob man eine Krankheit an den Beinen hatte und im Rollstuhl sitzen musste oder nicht.

Auch wenn man mal keine Lust auf etwas hat, weil es sich vielleicht langweilig anhört, sollte man alles mitmachen, weil es am Ende doch Spaß macht! Die Betreuer sind für jeden Spaß zu haben und geben sich unglaubliche Mühe mitzuhalten, auch wenn das nicht immer leicht ist (ich spreche aus Erfahrung), ob es jetzt ums Fußballspielen geht oder einfach nur ums Erzählen – das ist völlig egal. Bei all diesem Spaß gehen die Tage viel zu schnell vorbei und man wünscht sich, es würde noch einmal so lang sein…“

Jutta, 26, Teilnehmerin

„Das Camp ist für mich besonders wichtig, da man mit allen Macken und Kanten genommen wird, wie man ist. Man kann in jedem Tempo mithalten und wird nicht von anderen diskriminiert. Es ist immer schön, dass man hier viele neue Aktivitäten in Kreativität und Sport ausprobieren und diese mit nach Hause nehmen kann. Der Spaß, den man mit den Betreuern und den Campern hat, ist durch nichts zu ersetzen und unbezahlbar!“

Das Camp ist mit all seinen Programmen und den Menschen ein Urlaub für die Seele, auch nach zwölf Jahren noch! Danke für alles.

Tobias, 10, Teilnehmer

„Durch das Camp wurde mir erst klar, dass ich viel mehr drauf habe, als ich dachte. Und ich finde, ihr gebt mir und vielen Kindern wieder neuen Mut. Übrigens: Ich habe in dem Zimmer, in dem ich gewohnt habe, einen Traumfänger zurückgelassen...“

Quelle der Statements: Waldpiratencamp


Chris Maier, stellvertretende Pädagogische Leiterin des Waldpiraten-Camps der Deutschen Kinderkrebs­stiftung in Heidelberg © Privat