Lungenkarzinom Immuntherapien bei Lungenkrebs

Autor: Perspektive LEBEN

Neue Wirkstoffe – neue Perspektiven: Immuntherapien verbessern die Therapie beim Lungenkrebs. © iStock/nicolas

Noch vor einigen Jahren hatten Patienten mit Lungenkarzinom schlechte Prognosen. Dank Immuntherapie ist das heute nicht mehr so: Die Überlebenszeiten verlängern sich. Erfahren Sie, wie diese neue Behandlungsoption wirkt.

Das körpereigene Immunsystem bekämpft ständig fremde Zellen, und auch Tumorzellen. In seltenen Fällen jedoch versagt es dabei. Und zwar dann, wenn Tumorzellen gelernt haben, sich gegen das Immunsystem zu schützen: Ein Tumor entsteht. „Genau hier setzt die Immuntherapie an. Mit speziellen Medikamenten, sogenannten Antikörpern, qualifizieren wir das körpereigene Immunsystem, den Tumor wieder zu erkennen und zu zerstören“, beschreibt Professor Dr. Martin Reck, Chefarzt der Abteilung Onkologie der LungenClinic Großhansdorf, die Wirkweise der Behandlung.

1. Immuntherapie auf dem Vormarsch

Heilbar ist der Lungenkrebs bisher allein durch die Operation beziehungsweise durch die vollständige Entfernung des Tumorgewebes. Hierfür kommt es jedoch auf Tumortyp und -stadium an: „Nur bei einem nicht-kleinzelligen Tumor in einem frühen Stadium operieren wir. Da die Diagnose jedoch meist in einem fortgeschrittenen Stadium erfolgt, betrifft dies etwa nur ein Drittel aller Patienten“, so Prof. Reck. Für die Mehrheit der Patienten kommt die Therapieform also nicht infrage, zumal auch fortgeschrittene kleinzellige Tumoren vorkommen. In diesen Fällen kommen andere Behandlungsop­tionen zum Einsatz: Hierbei gewinnt die Immuntherapie mit PD1- und PD-L1-Hemmern seit einigen Jahren an Bedeutung.

2. Behandlungsdauer – durchaus mehrere Jahre

Die Medikamente bei der Immuntherapie wirken grundsätzlich anders als die einer Chemotherapie. „Ihre Wirkstoffe bekämpfen die Tumorzellen indirekt. Im Gegensatz hierzu wirken die Zytostatika einer Chemotherapie direkt auf die Tumorzelle ein – und leider auch auf andere sich schnell teilende Zellen“, erklärt Prof. Reck. „Das führt zu den bekannten Nebenwirkungen.“ Eine Immuntherapie ist besser verträglich, so kommen etwa Haarausfall oder Übelkeit hier nicht vor. Zu beachten sind jedoch neue immunassoziierte Nebenwirkungen – zumeist Autoimmunreaktionen, die bei etwa 30 Prozent der Patienten beobachtet werden. Die Behandlungsdauer ist deutlich länger, beim Lungenkrebs durchaus bis zu mehreren Jahren. Die Wirkstoffe werden dem Patienten mittels Tropf ambulant verabreicht.

3. Den Tumor enttarnen

Anfänglich setzten die Onkologen die Immuntherapie nur bei solchen Patienten ein, bei denen eine Chemotherapie nicht ausreichend wirkte. „Wir sahen bei vielen Betroffenen, dass die Immuntherapie deutlich bessere Ergebnisse lieferte“, erinnert sich Prof. Reck und fügt hinzu: „Das führte zu der dringenden Frage, wie ihre Wirkung wohl ohne eine vorherige Chemotherapie wäre.“

Entsprechende Studien zeigten nachfolgend, dass eine Immuntherapie auch als Erstlinienbehandlung sehr erfolgreich sein kann. „Besonders gute Erfolge erzielen wir bei Patienten, deren Tumoren das sogenannte PD-L1-Eiweiß in hoher Konzentration tragen, das den Tumor vor unserem Immunsystem schützt“, erläutert Prof. Reck. „Ein spezieller Wirkstoff erkennt PD-L1, enttarnt den Tumor und macht ihn wieder angreifbar.“

Die Medikamente der Immuntherapie werden als Checkpoint-Inhibitoren bezeichnet. Circa 33 Prozent aller nicht vorbehandelten Patienten im fortgeschrittenen Stadium können heute mit einem PD-L1-Hemmer alleine behandelt werden. Beim Rest, also den Patienten, die das PD-L1-Eiweiß in geringer Konzentration oder gar nicht tragen, wenden die Onkologen neuerdings eine Kombinationsbehandlung an: Sie verabreichen eine Chemo – zusammen mit einer Immuntherapie. Aktuell ist eine Kombinationstherapie bei Patienten mit nicht-platten­epithelialem nicht-kleinzelligem Lungenkarzinom zugelassen, weitere Zulassungen sind in Deutschland in Kürze zu erwarten. „Die neuen Behandlungsmethoden sichern den Patienten eine signifikant längere Überlebenszeit und eine bessere Kontrolle des Tumors“, berichtet Prof. Reck.

Allerdings ist ein guter Allgemeinzustand Voraussetzung für eine Kombinationsbehandlung, da diese Therapien anstrengend sind.

4. Immuntherapie auf dem Vormarsch

Das Einsatzgebiet der Immuntherapie dehnt sich immer weiter aus: Noch im letzten Jahr wurden Patienten in einem frühen Stadium – also mit einem nicht-operablen lokal fortgeschrittenen Tumor – einer Chemo- und Strahlentherapie unterzogen. „Auch hier liefert der anschließende Einsatz einer Immuntherapie verbesserte Prognosen. In solchen Fällen setzen wir einen PD-L1-Antikörper ein“, erklärt Prof. Reck.

Der Vormarsch dieser Therapieform in den letzten Jahren lässt vermuten, dass sie noch viele weitere Einsatzmöglichkeiten bieten wird. „Wir sehen große Chancen auf ein Langzeitüberleben, auch für Betroffene mit einem fortgeschrittenen Lungenkarzinom“, lautet die Prognose des Experten. „Wir forschen entsprechend weiter und suchen nach neuen Checkpoint-Inhibitoren, um immer mehr Menschen erfolgreich behandeln zu können.“

5. Lungenkrebsbehandlung in zertifizierten Zentren

Experten empfehlen Betroffenen stets eine Behandlung in zertifizierten Lungenkrebszentren. Die Deutsche Krebsgesellschaft verleiht nur Krankenhäusern, die höchste Qualitätsstandards erfüllen, das Zertifikat Lungenkrebszentrum. Diese müssen strenge Vorgaben erfüllen, wie eine Mindestanzahl qualifizierter Fachärzte. Pro Jahr müssen mindestens 200 Patienten mit Lungenkrebs behandelt und mindestens 75 Patienten mit Lungenkrebs operiert werden. Ein solcher Erfahrungsschatz stellt eine optimale Patientenversorgung sicher. Zudem sind regelmäßige Tumorkonferenzen unter Beteiligung aller Disziplinen verpflichtend. So nehmen etwa Lungenfachärzte, Thoraxchirurgen, Strahlentherapeuten, Onkologen, Pathologen und Radiologen teil. In diesen gemeinsamen Konferenzen wird der individuelle Behandlungsplan der Patienten festgelegt.


Prof. Dr. Martin Reck, Chefarzt der Abteilung Onkologie, LungenClinic Großhansdorf © Privat