Akute lymphatische Leukämie Erkrankung des blutbildenden Systems: Ein lohnender Weg zum Therapie-Erfolg

Autor: MPL-Redaktion

Häufig sind Kinder von der Krebsart betroffen. © iStock/http://www.fotogestoeber.de

Bei der akuten lymphatischen Leukämie, kurz ALL, handelt es sich um eine bösartige Erkrankung des blutbildenden Systems. Sie ist die häufigste Form der Leukämie im Kindesalter. Etwa 500 Kinder und Jugendliche erkranken jährlich im Alter bis zu 18 Jahren. Bei Erwachsenen sind es rund 800 Fälle, wobei der Gipfel der Erkrankungshäufigkeit im 8. Lebensjahrzehnt liegt. Die Therapie läuft bei Kindern und Erwachsenen grundsätzlich ähnlich ab.

Der Chefarzt der Medizinischen Klinik III am Städtischen Klinikum Braunschweig und ALL-Experte Professor Dr. Jürgen Krauter berichtet hier über die wichtigsten Therapiemöglichkeiten und erklärt, was auf Betroffene nach der Diagnosestellung zukommt.

Rund um die Therapie der ALL wurde in den vergangenen Jahrzehnten intensiv geforscht. Die Heilungschancen haben sich infolgedessen deutlich verbessert. Dabei lautet bei Erwachsenen die Faustformel: Je jünger die Patienten, desto höher ist die Aussicht auf Erfolg.

Wichtig: Die gründliche Diagnose

„Besteht ein Verdacht auf eine ALL, sind Untersuchungen des Blutes und vor allem des Knochenmarks notwendig. Wir müssen die ALL nämlich genauer charakterisieren. Das geschieht bei den anschließenden Laboruntersuchungen des Knochenmarks“, erklärt Prof. Krauter und fügt hinzu: „Sie zeigen uns, welche Unterform der ALL vorliegt. Nur so können wir einen Behandlungsplan erstellen.“

Ist die ALL exakt diagnostiziert, sind gegebenenfalls zusätzliche Untersuchungen erforderlich, um den Befall anderer Organe des Körpers mit lymphatischen Blasten ausschließen zu können. Hierzu gehören das Röntgen des Brustkorbs, Computertomographie sowie die Ultraschalluntersuchung der inneren Organe. Außerdem wird aus der Rückenmarksflüssigkeit eine Probe entnommen. So stellen die Experten fest, ob ein Leukämiebefall der Hirnhäute besteht.

Auch im weiteren Verlauf beziehungsweise während der Therapie werden regelmäßig Knochenmarkpunktionen und andere Kontrolluntersuchungen durchgeführt. Die Ärzte erkennen dadurch, ob sich die Leukämie vollständig zurückgebildet hat. Sie sprechen dann von einer Remission. Auch ist es heute möglich, mit molekularen Methoden einen drohenden Rückfall frühzeitig zu erkennen.

Therapiewahl – so unterschiedlich wie die Krankheitsbilder

Die Heilungschancen bei akuter lymphatischer Leukämie hängen grundsätzlich von verschiedenen Faktoren ab. Dazu zählen besonders die Unterform der ALL, die Menge der weißen Blutkörperchen, Leukozyten genannt, bei der Diagnose sowie Alter und Gesundheitszustand des Patienten. „All das berücksichtigen wir bei unserer Therapiewahl. So bekommt jeder Patient eine auf ihn abgestimmte Therapie“, betont Prof. Krauter. Ziel der Therapie ist es, die Leukämiezellen überall im Körper möglichst vollständig abzutöten, damit das Knochenmark wieder seine ursprüngliche Funktion, die Blutbildung, aufnehmen kann. Die Ärzte sprechen hier von einer Vollremission.

Die zentrale Behandlung bei ALL ist die Chemotherapie. Dazu kann in manchen Fällen eine Strahlentherapie oder eine Knochenmarktransplantation kommen. „Bei einer Unterform der ALL mit dem sogenannten Philadelphia-Chromosom setzen wir zusätzlich auch eine zielgerichtete Therapie ein: Mit speziellen Medikamenten, Tyrosinkinase-Hemmer genannt, werden dabei die Krebszellen bekämpft“, berichtet Prof. Krauter. „Zudem nutzen wir in bestimmten Situationen die Immuntherapie. Hierbei werden ebenfalls spezielle Medikamente, nämlich Antikörper, eingesetzt. Sie aktivieren quasi das körpereigene Immunsystem, sodass es die Krebszellen angreift, oder dirigieren Zellgifte direkt an die Leukämiezelle. Ob zielgerichtete oder Immuntherapie, beide Therapiemethoden lassen für die nahe Zukunft viel hoffen.“

Intensive Behandlung zu Beginn

Die Therapie der ALL dauert in der Regel rund zwei Jahre. Die erste Phase, eine spezielle Chemotherapie, läuft über circa ein Jahr. Sie besteht aus verschiedenen Blöcken. Die ersten acht Wochen, die sogenannte Induktionsphase, verbringt der Patient in der Regel im Krankenhaus. Ziel dieser Phase ist es, die Erkrankung weitestgehend zurückzudrängen und bereits vorhandene Komplikationen abzustellen. In den ersten vier Wochen versuchen die Experten, die ALL so intensiv zu behandeln, dass sie unter dem Mikroskop nicht mehr erkennbar ist.

Ist es zu einer Vollremission gekommen, handelt es sich um den Bestfall, der nach einem Behandlungszyklus erreicht werden kann. Bis zum Ende der Chemotherapie wechseln sich stationäre und außerstationäre Phasen ab. „Nach Beendigung der Chemotherapie schließt sich eine mehrmonatige Erhaltungstherapie an. „Der Patient erhält hierbei lediglich Tabletten zur regelmäßigen Einnahme“, so Prof. Krauter.

Hundert Kliniken für eine professionelle Behandlung

Die Behandlung einer ALL sollte nach Möglichkeit in einer Klinik durchgeführt werden, die über Erfahrung in der Behandlung von Leukämien – speziell der ALL – verfügt. Prof. Krauter rät zu einer Klinik, die sich an den Studien der deutschen Studiengruppe für die akute lymphatische Leukämie (GMALL-Studiengruppe) beteiligt und sich somit nach deren Therapieempfehlungen richtet. Mehr als 100 Kliniken gehören in Deutschland dazu. „Da es sich bei der ALL um eine sehr seltene Erkrankung handelt und einzelne Ärzte kaum die Möglichkeit haben, umfassende Erfahrungen zu sammeln, sind solche systematisch erhobenen Empfehlungen wichtig.“


Prof. Dr. Jürgen Krauter, Chefarzt der Medizinischen Klinik III am Städtischen Klinikum Braunschweig © Privat