Akute lymphatische Leukämie Drei Therapieschritte gegen den Krebs

Autor: Perspektive LEBEN

Die Heilungschancen sind umso besser, je jünger die Patienten sind. (Agenturfoto) © iStock/FatCamera

Sie ist die häufigste Form der Leukämie im Kindesalter. Bei Erwachsenen tritt die Akute Lymphatische Leukämie, kurz ALL genannt, dagegen seltener auf. Die ALL wurde in den vergangenen Jahrzehnten intensiv erforscht. Die Heilungschancen haben nicht zuletzt deshalb deutlich zugenommen: Die ALL ist in vielen Fällen heilbar geworden. Dabei lautet die Faustformel der Mediziner: Je jünger die Patienten sind, desto höher ist die Aussicht auf Heilung.

Professor Dr. Dr. Michael Kneba ist ein ausgewiesener ALL-Experte. Der Direktor der Klinik für Innere Medizin II – Hämatologie und Onkologie am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein sprach mit Perspektive LEBEN über die Therapie.

Wenn das blutbildende System Amok läuft

Die ALL ist eine bösartige Erkrankung des blutbildenden Systems. Dabei entarten Immunzellen, die für die körpereigene Abwehr zuständig sind. Diese entarteten Zellen wachsen dabei sehr schnell und verdrängen die ge­sunden Zellen des Knochenmarks. Die normale Blutbildung wird dadurch behindert. Das führt dazu, dass sich überwiegend Leukämiezellen im Blut befinden, während die weißen und roten Blutkörperchen und die Blutplättchen meist sehr stark reduziert sind. Betroffene neigen dadurch zu mehr Infekten, zu Blutarmut und allgemeiner Schwäche.

Das geschieht bei der Akuten Lymphatischen Leukämie im Körper

Bei der ALL entarten Immunzellen, die für die Abwehr zuständig sind. Diese entarteten Zellen wachsen sehr schnell und verdrängen die gesunden Zellen des Knochenmarks. Die normale Blutbildung wird behindert. Übrig bleiben in einem solchen Fall überwiegend Leukämiezellen, während die weißen und roten Blutkörperchen und die Blutplättchen im Blut meist sehr stark reduziert sind.

Ein weiteres Problem ist, wenn die unreifen Zellen, die sogenannten Blasten, sich sehr stark vermehren. „Dies kann zu Durchblutungsstörungen unter anderem im Gehirn und der Lunge führen. Zudem kann es zu Absiedlungen in Organen kommen, wie zum Beispiel im Gehirn und der Leber, mit entsprechenden Funktionsstörungen“, erläutert Prof. Kneba.

Wichtig für die Therapiewahl: die exakte Diagnose

Nach der allgemeinen Diagnose der ALL muss eine exakte Diagnose erfolgen. „Denn es handelt sich hier um keine einheitliche Erkrankung. Hinter einer ALL verbergen sich nämlich verschiedene Formen, die unterschiedlich verlaufen und auch unterschiedlich behandelt werden müssen“, erklärt Prof. Kneba. Dafür sind Speziallabore zuständig, die mit immunologischen und genetischen Methoden innerhalb weniger Tage zu einer sehr genauen Diagnose kommen.

Gleichzeitig müssen die genaue Ausbreitung der Erkrankung und bereits vorhandene oder drohende Komplikationen diagnostiziert werden. „Dazu schauen wir unter anderem, wie viele weiße Blutkörperchen im Blut vorhanden sind, wie eingeschränkt das normale Knochenmark ist und welche Organe gegebenenfalls betroffen sind“, sagt Prof. Kneba.

Zudem müssen für die Festlegung der Therapiestrategie auch die Vorerkrankungen beziehungsweise der allgemeine Gesundheitszustand des Patienten bekannt sein. Das ist wichtig. Denn je gesünder ein Patient ist, desto besser wird die Therapie vertragen. Und umso erfolgreicher wird sie verlaufen.

Sind alle Daten erhoben, kann das Risiko des Patienten eingeschätzt werden. Der Begriff Risiko bezeichnet in diesem Fall die Wahrscheinlichkeit der Aussicht auf Heilung der jeweiligen Leukämie und ist wichtig für die Auswahl der optimalen Therapie.

Erstes Therapieziel: die Vollremission

Die Therapie der ALL dauert insgesamt rund zweieinhalb Jahre. Die erste Phase läuft über ein Jahr. Sie besteht aus verschiedenen Blöcken. Die ersten acht Wochen, die sogenannte Induktionsphase, verbringt der Patient in der Regel im Krankenhaus. Ziel dieser Phase ist es, die Erkrankung weitestgehend zurückzudrängen und bereits vorhandene Komplikationen abzustellen. „In den ersten vier Wochen versuchen wir, die ALL so intensiv zu behandeln, dass sie mit normalen Methoden nicht mehr erkennbar ist – beispielsweise mit dem Mikroskop“, erklärt Prof. Kneba und fügt hinzu: „Das geschieht durch eine Chemotherapie mit Kortison und Zytostatika“.

Anschließend erfolgt zur Kontrolle eine Untersuchung des Knochenmarks, des Blutes und der vorher betroffenen Organe. Lässt sich die ALL dort nicht mehr feststellen, sprechen die Mediziner von einer sogenannten Vollremission. Das heißt, dass weder im Blut noch im Knochenmark Leukämiezellen nachweisbar sind. Es handelt sich um den Bestfall, der nach einem Behandlungszyklus erreicht werden kann. Er entspricht einem Zustand ohne Leukämie. Bei einer Teilremission wurden hingegen die Leukämiezellen deutlich reduziert, sie sind aber noch vorhanden.

Kontrollen, um die Therapie zu steuern

Eine Vollremission bedeutet allerdings nicht, dass die ALL bereits geheilt ist. Es kann nämlich immer noch zu einem Rückfall, einem sogenannten Rezidiv kommen. „Daher ist die Therapie an dieser Stelle auch noch nicht abgeschlossen. Denn die Empfindlichkeit eines Mikroskops ist nicht groß genug, um wirklich alles sehen zu können“, lautet die Begründung des Experten. „Aber natürlich kann hier von einem Behandlungserfolg gesprochen werden, da die ALL offensichtlich gut auf die Chemotherapie reagiert hat.“

Der nächste Therapieschritt wird als „zweite Induktionsphase“ bezeichnet. Sie besteht aus einer vierwöchigen Chemotherapie. Danach kann der Patient das Krankenhaus verlassen. Darauf folgen dann Behandlungsblöcke mit weiteren Chemotherapien, die jedoch nur wenige Tage dauern. Im ersten Jahr werden sie in Abständen von etwa vier Wochen wiederholt. Im darauffolgenden Jahr kommen weitere Therapieblöcke mit größeren Pausen hinzu. Dabei wird laufend kontrolliert, wie gut die Therapie anspricht.

„Stellen wir nun fest, dass die Therapie die ALL nicht weit genug zurückdrängen kann, können wir zur Verhinderung eines Rückfalls noch eine Knochenmarktransplantation vornehmen“, so Prof. Kneba. Im Anschluss an die Therapie folgt eine Erhaltungstherapie. Hierbei erhalten die Patienten 18 Monate lang Tabletten und in Ausnahmen eine Injektion eines Zytostatikums.


Prof. Dr. Dr. Michael Kneba, Direktor der Klinik für Innere Medizin II – Hämatologie und Onkologie am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein © Privat