Dickdarmkrebs Der Arzt als Krebspatient: Wie die Krankheit mein Leben umkrempelt

Autor: MPL-Redaktion

Es ist wichtig, einen starken Partner an seiner Seite zu haben. © iStock/vadimguzhva

Es kann jeden treffen. Das musste auch Dr. Klaus J. erfahren, als er vor sechs Jahren an Krebs erkrankte. Er arbeitet als Orthopäde in einer Gemeinschafts­praxis in Hannover. Offen erzählt er, wie sehr ihn damals die Diagnose schockte – und was er heute der Krankheit verdankt.

Ich brachte gerade meinen dreiundfünfzigsten Geburtstag hinter mich, als die Beschwerden das erste Mal auftraten. Ich hatte das unbestimmte Gefühl, dass sich beim Stuhlgang mein Darm nicht vollständig entleerte. Auch musste ich deutlich länger auf dem WC verweilen als üblich. Ich schob diesen Vorfall auf mein Essen am Vorabend – griechisch. Irgendetwas war mir wohl nicht bekommen.

An den folgenden Tagen war alles wieder normal. Krank fühlte ich mich ohnehin nicht. Ich ging einigermaßen regelmäßig Laufen, achtete auf meinen Bauchumfang und ernährte mich überwiegend gesund. Ab und zu, wenn der Arbeitsstress sehr groß war, rauchte ich mal eine Zigarette. Nicht der Rede wert. Alles in allem fühlte ich mich sehr wohl in meinem Körper. Das änderte sich allerdings schlagartig.

Anfangs verdrängte ich die Symptome

Mein Stuhlgang machte erneut Ärger. Ich erinnerte mich sofort an den ersten Vorfall. Der lag etwa zehn Tage zurück. Wieder saß ich lange auf dem Klo. Wieder dieses komische Gefühl. An dem Vormittag hatte ich drei Sitzungen. Schließlich ignorierte ich meinen Stuhldrang.

Das half. Abends spürte ich nichts mehr. Am nächsten Tag sah ich mich allerdings erneut damit konfrontiert. Zu diesem Zeitpunkt dachte ich erstmals über eine Darmerkrankung nach – und war beunruhigt. In den folgenden Wochen traten die Probleme unregelmäßig auf. Irgendwie hatte ich mich schon daran gewöhnt. Und irgendwie hatte ich auch meine Gedanken über eine mögliche Erkrankung verdrängt. Wie praktisch!

Meine Frau machte mich stark!

Doch in den nächsten Wochen merkte ich, dass sich mein Allgemeinzustand verschlechterte. Ich wurde schlapp. Fühlte mich irgendwie krank, so, als ob eine Grippe im Anmarsch wäre. Und das Mitten im Frühsommer. Zu dieser Jahreszeit konnte ich sonst Bäume ausreißen. Ich stellte dann natürlich einen Zusammenhang zu meinem veränderten Stuhlgang her. Mir wurde klar, ich musste einen Gastroenterologen aufsuchen. Schließlich war ich Mediziner. Das sollte abgeklärt werden. Das wäre vernünftig.

Und ich wollte es dennoch nicht. Ich hatte Angst vor der vermeintlichen Wahrheit. Ich dachte noch einige Tage intensiv nach, suchte nach beruhigenden Erklärungen und sprach schließlich mit meiner Frau darüber. Ich wusste selbstverständlich, wie sie reagieren würde: Am nächsten Tag saß ich im Wartezimmer eines Magen-Darm-Spezialisten, ohne Termin. Bei akuten Beschwerden wird man zwischengeschoben.

Meine Frau begleitete mich. Irgendwie peinlich, aber es stärkte mich mental. Zudem konnte ich bisher kein Blut in meinem Stuhl entdecken. Auch das stärkte meine Zuversicht. Möglicherweise hatte ich eine Darmentzündung oder etwas ähnlich Harmloses.

Die Darmspiegelung brachte die Gewissheit

Ich schilderte dem Gastroenterologen meine Beschwerden. Trotz meiner Zuversicht zeigte ich mich ihm gegenüber offen besorgt, denn ich wollte alles möglichst schnell abklären lassen. Zwei Tage später lag ich bei ihm auf der Liege zur Darmspiegelung. Als ich aus der Narkose aufwachte, redete er nicht lange um den heißen Brei: Er hatte ein bösartiges Geschwür im Dickdarm entdeckt. Krebs also. Ich war sprachlos und voller Angst. Ich stand kurz vor einem Nervenzusammenbruch. Ich ließ meine Frau aus dem Warteraum zur Besprechung dazu holen.

Das war im Nachhinein betrachtet sehr wichtig, konnte ich doch in dieser Situation nur sehr wenig Informationen aufnehmen. Meine Gedanken spielten völlig verrückt. Der Tumor war mittelgroß. Eine Metastasierung konnte nicht ausgeschlossen werden. Das war eine weitere schlechte Nachricht. Panik! Seine Lage machte mir hingegen etwas Hoffnung.

Die Notwendigkeit für einen künstlichen Darmausgang schlossen die Ärzte aus. Aber erst weitere Untersuchungen – in den darauffolgenden Tagen – würden eindeutigere Aussagen über Prognosen und Therapieoptionen ergeben. Diese Zeit erlebte ich wie in Trance.

Ich hatte einfach große Angst zu sterben: Würden Metastasen gefunden, sähe es schlecht aus. Gleichzeitig machte ich mir große Sorgen um meine Frau. Ich konnte nicht erkennen, wie sie mit der Situation klarkam. Sie zeigte sich kämpferisch. Sprach mir Mut zu. Lächelte. Aber in ihr drin sah es ganz anders aus. Das war zumindest meine Befürchtung.

Eine harte Therapie, die sich gelohnt hat

Die Untersuchungen zeigten dann keine Metastasierung. Das war gut! Sehr gut! Meine Frau fiel mir in die Arme. Wir weinten beide sehr lang. Die größte Anspannung löste sich. Das zeigte mir, dass ich Recht hatte mit meiner Vermutung über ihre Gemütslage. Und es zeigte mir auch, wie wichtig eine starke Partnerin in solchen Zeiten ist. Die erste große Hürde hatte ich also genommen. Nun musste nur noch der Tumor entfernt werden. Das konnte ich gar nicht abwarten. Es zermürbte mich geradezu, diesen Fremdkörper in mir zu tragen.

Die OP war überraschend harmlos. Der Chirurg konnte den Tumor gut entfernen und den Darm problemlos wieder zusammennähen. Ich hatte relativ wenig Schmerzen danach und kam schnell wieder zu Kräften. Da der ­Onkologe jedoch bei der Größe des Tumors keine Mikrometastasen ausschließen konnte, erhielt ich noch eine Chemotherapie.

Das war dann wiederum sehr anstrengend. Auch hatte ich mit Nebenwirkungen zu kämpfen. Vor allem Appetitlosigkeit und Übelkeit plagten mich in diesen Monaten. Ich nahm 17 Kilo ab. Rückbetrachtend war dies alles jedoch nicht schlimm. Ich gelte heute als geheilt. Die Kilos hatte ich bereits drei Monate nach Beendigung der Chemo wieder drauf.

Und wenn man mich heute fragt, was die Erkrankung aus mir gemacht hat, dann antworte ich: „Sie hat mir ein besseres Leben beschert.“ Das ist tatsächlich so. Denn ich liebe meine Frau noch mehr als vor der Diagnose. Ich lebe mein Leben viel bewusster und kann es so viel besser genießen. Das klingt vielleicht abgedroschen. Es ist aber so.