Immunsystem stärken CAR-T-Zell-Therapie: Die neue Methode gegen den Krebs

Autor: MPL-Redaktion

Neue Wirkstoffgruppen für neue Erfolge? © iStock/dra_schwartz

Mittlerweile werden körpereigene Abwehrzellen so verändert, dass sie Krebs wirkungsvoll bekämpfen können. Lesen Sie in Perspektive LEBEN, wie das Verfahren funktioniert und warum die zelluläre Immuntherapie ein Hoffnungsträger ist.

Die gängigen drei Waffen gegen den Krebs waren lange Zeit die Operation, die Bestrahlung und die Chemotherapie. Seit etwa 20 Jahren stehen Patienten und Therapeuten die sogenannten zielgerichteten Therapien oder Immuntherapien zur Verfügung. Sie greifen gezielt in die Signalwege der Tumorzellen ein und versuchen so, den Krebs einzudämmen oder zu vernichten. Forscher und Mediziner arbeiten derzeit mit Hochdruck an einer weiteren Waffe gegen den Krebs: Das Ziel der Forschung ist, die körpereigenen Abwehrzellen auf den Krebs anzusetzen. „Wir verändern die körpereigenen Abwehrzellen so, dass sie den Krebs selbstständig bekämpfen können“, sagt Professor Dr. Michael Schmitt, Facharzt für Innere Medizin mit Schwerpunkt Hämatologie und internistische Onkologie. „Wir arbeiten hier mit einem ganz neuen Therapieansatz, der sehr ermutigend ist. Die Ergebnisse unserer Untersuchungen zeigen, dass wir auf dem richtigen Weg sind.“

Ohne Gegenwehr

Weil das Immunsystem den Krebs nicht erkennt oder die Abwehrzellen vom Krebs blockiert werden, können die körpereigenen Zellen den Krebs nicht effektiv bekämpfen. Die Folge ist, dass der Krebs wächst und sich unter Umständen im Körper der Patienten ausbreitet. Daher waren Wissenschaftler schon lange auf der Suche nach Methoden und Wirkstoffen, die das Immunsystem so stärken, dass es den Krebs erkennt und bekämpft. „Inzwischen können sehr viele Krebslinien sehr effektiv mit diesen Immuntherapien im Schach gehalten oder vollständig aus dem Körper verbannt werden“, sagt Prof. Schmitt. „Die neue Methode geht jedoch noch einen Schritt weiter.“

Der Therapieansatz

Etwa 95 Prozent der Krebszellen einer akuten lymphoblastischen Leukämie (ALL), chronischen lymphatischer Leukämie (CLL) und der Non-Hodgkin Lymphome (NHL) besitzen ein für den Krebs typisches Merkmal auf der Oberfläche – dieses haben Wissenschaftler als CD19 bezeichnet. „Der Therapieansatz ist, dass wir die körpereigenen Immun-Zellen, die sogenannten T-Zellen, so verändern, dass sie nur die Zellen bekämpfen, die das CD19 auf der Oberfläche tragen“, erklärt Prof. Schmitt. „Damit gelingt es, die Krebszellen ganz gezielt zu bekämpfen und gesundes Gewebe und Blutzellen weitestgehend zu schonen.“ Diese neue Methode ist in den USA und Europa für einzelne Krebsarten bereits zugelassen. Am Universitätsklinikum Heidelberg läuft derzeit eine klinische Phase-I/II-Prüfstudie, die den Einsatz der neuen Methode bei Blut- und Lymphdrüsenkrebs testet.

Der Ablauf

Die sogenannte chimäre Antigenrezeptoren-T-Zell-Therapie (CAR-T-Zell-Therapie) läuft vereinfacht ausgedrückt in vier Schritten ab. Als Erstes werden aus dem Blut der Patienten T-Killerzellen herausgefiltert und in aufwendigen Verfahren vermehrt. Anschließend werden die vermehrten, körpereigenen Zellen gentechnisch verändert: Sie bieten dann auf ihrer Oberfläche ein CAR-Molekül dar, das gegen das CD19 gerichtet ist. Diese Zellen sind dann die CAR-T-Killer-Zellen. Im dritten Schritt werden die Zellen in aufwendigen Verfahren gereinigt, geprüft und bis zu ihrem Einsatz tiefgefroren. Im vierten Schritt erhalten Patienten die CAR-T-Zellen über eine Infusion. Damit die CAR-T-Zellen optimal gegen den Krebs kämpfen können, muss vorher die Zahl der anderen Abwehrzellen im Blut mit einer Chemotherapie stark reduziert werden.

Während einer CAR-T-Zell-Therapie wird vom Körper Höchstleistung gefordert: Er muss etwa ein Kilo Tumormasse finden und vernichten. „Die Behandlung erfolgt daher unter einer ganz engen Überwachung“, betont Prof. Schmitt. „Weil die CAR-T-Killerzellen sehr effektiv arbeiten, kann es nämlich zu einer gefährlichen Überreaktion des Immunsystems kommen.“ Ärzte sprechen dann von dem sogenannten Zytokinsturm. Anzeichen dafür sind Fieber, Schüttelfrost, Organ- und Kreislaufversagen.

Gute Ergebnisse

Derzeit werden CAR-T-Zell-Behandlungen nur in Studien bei Patienten mit Blut- oder Lymphdrüsenkrebs angewendet. Voraussetzung für die Studienteilnahme ist, dass alle Standard-Therapien versagen oder nicht mehr wirken. „Die bisherigen Ergebnisse und Erfahrungen der Studien zeigen gute Ergebnisse bei den Ansprechraten. Oft gelingen sogar komplette Remisionen“, berichtet Prof. Schmitt. „Von kompletten Remissionen sprechen wir, wenn wir nach der Behandlung keine Tumorzellen im Körper nachweisen können.“ Die Patienten profitieren zudem durch ein längeres Überleben und eine verbesserte Lebensqualität. In Therapiestudien konnten 80 bis 100 Prozent der ALL-Patienten, 30 bis 40 Prozent der CLL-Patienten und 50 bis 70 Prozent der NHL-Patienten eine komplette Remission erreichen.

„Die nächsten fünf Jahre werden deutliche Fortschritte bei der CAR-T-Therapie bringen“, meint Prof. Schmitt. „In den USA ist sie für Blutkrebs schon zugelassen.“ Weitere Krebsarten werden in den Fokus rücken. Darunter die Hirn-, Haut-, Nierenzell- und Prostatatumoren. Auch in Europa sind erste Zulassungen der CAR-T-Zelltherapie erfolgt. Derzeit kosten die Behandlungen noch enorm hohe Summen pro Patient. In der breiten Anwendung erwartet Prof. Schmitt aber ganz erhebliche Kostensenkungen und damit auch den raschen Einzug in die Leitlinien zur Behandlung verschiedener Krebserkrankungen.


Professor Dr. Michael Schmitt, Facharzt für Innere Medizin mit Schwerpunkt Hämatologie und internistische Onkologie und Leiter der GMP-Core-Facility im Universitätsklinikum Heidelberg © privat